BIKAS

«Werte und Standards sind für mich essenziell»

Marco Niklaus steht seit September 2023 an der Spitze des grössten Lehrberufs der Schweiz – der kaufmännischen Grundbildung. Wer ist der neue Geschäftsleiter von «Bildung Kaufleute Schweiz» (BIKAS), wie die «Schweizerische Konferenz der kaufmännischen Ausbildungsbranchen» (SKKAB) künftig heissen wird? Und: Wie sieht er sein neues Tätigkeitsfeld?

Beginnen wir mit drei persönlichen Fragen: Warum haben Sie sich bei der Berufswahl nicht für die kaufmännische Grundbildung entschieden?
Bei mir war schon früh der Wunsch da, eine Tätigkeit im schulischen Umfeld auszuüben – als Lehrer oder Schulleiter –, weil mich die Themen «Bildung», «Sport» und «Wirtschaft» interessieren. Daher ging ich den Weg über das Gymnasium und die Universität.

Sie haben als Lehrer an der WKS KV Bildung in Bern und an anderen Bildungsinstitutionen unterrichtet. Was haben Sie von Ihren Schülerinnen und Schülern gelernt?
Wie wichtig Authentizität und Empathie sind – in der Schule und anderswo. Authentizität bedeutet, ehrlich und transparent sein. Empathie heisst, auf andere eingehen und sie bei der Entfaltung ihres Potenzials unterstützen.

Sie haben an der WKS KV Bildung und an der Berner Berufsfachschule für medizinische Assistenzberufe auch Führungs- und Managementverantwortung gesammelt. Wie wichtig ist das für Ihre neue Funktion?
An der WKS KV Bildung in Bern durfte ich alle Bildungsstufen und -profile des kaufmännischen Berufsfelds kennenlernen, vom berufsvorbereitenden Schuljahr über die Grundbildungen bis zu den Lehrgängen der höheren Berufsbildung. Als Leiter der Handelsschule erhielt ich zudem Einblicke in alle Lernorte – Schule, Lehrbetrieb, überbetriebliche Kurse.

Was ist Ihnen als Führungsperson wichtig?
Werte und Standards sind für mich essenziell, insbesondere gegenseitiges Vertrauen, Demut und Dialog. Wichtig ist mir auch, dass wir Neues wagen und Widerständen mit Gelassenheit begegnen und so Klarheit und Konsequenz fördern. Unter Standards verstehe ich geeignete Rahmenbedingungen – beispielweise hinsichtlich Effizienz und Effektivität zu schaffen – um so Freiräume zu ermöglichen. Das Wichtigste scheint mir jedoch, dass wir bei unserem Tun Freude und Sinnhaftigkeit empfinden.

Sie leiten seit September die SKKAB bzw. BIKAS und die Interessengemeinschaft Kaufmännische Grundbildung Schweiz (IGKG Schweiz). Wie haben Sie sich eingelebt?
Der Einstieg war sportlich. Ich bin immer noch daran, Erwartungs- und Kennenlerngespräche zu führen und mich in die verschiedenen Themen einzuarbeiten. In meiner aktuellen Weiterbildung «Systemische Professionalität» habe ich das Modell der drei Schwäne kennengelernt – und genau so sehe ich mich zurzeit; ich bin der Schwan, der fliegt – also aktiv ist –, der Schwan, der den fliegenden Schwan beobachtet, aber auch der Schwan, der über die beiden anderen nachdenkt. Kurz: Ich versuche, mein neues Tätigkeitsfeld aus möglichst unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, um adäquat handeln zu können. Das Bild mit den Schwänen scheint mir besonders sinnhaft, da meine neue Wirkungsstätte an der Schwanengasse in Bern ist … (schmunzelt).

Die kaufmännische Grundbildung hat einen tiefgreifenden Reformprozess hinter sich. Jetzt werden die ersten Lernenden nach neuen Vorgaben ausgebildet. Wie beurteilen Sie die Akzeptanz der neuen kaufmännischen Grundbildung?
Es wäre vermessen, dies bereits zu beurteilen. Aber ich bin überzeugt, dass viele gute Dinge in die Wege geleitet worden sind. Dafür danke ich allen, die das ermöglicht haben. Nun gilt es – im Dialog mit den involvierten Akteurinnen und Akteuren – die ersten Erfahrungen auszuwerten und wo nötig Justierungen vorzunehmen.

Auch die SKKAB hat sich reformiert und die Strategie 2030 verabschiedet. Ab 2024 heisst die Organisation BIKAS. Mehr als ein Etikettenwechsel?
Definitiv. Mit der Strategie 2030 wurde eine gute Ausgangslage für die Zukunft geschaffen. Als neuer Geschäftsleiter bin ich sehr erfreut, so starten zu dürfen.

BIKAS strebt die Führungsrolle im kaufmännischen Berufsfeld an. Ein neues Selbstbewusstsein?
Ja. An der ausserordentlichen Delegiertenversammlung erzielten alle Abstimmungen und Wahlen eine hundertprozentige Zustimmung – ein Zeichen der Stärke. Ich freue mich, mit dem neuen Co-Präsidium die anstehenden Aufgaben anzupacken. Positiv ist auch, dass nun die Lehrbetriebe und die Dachorganisationen der Arbeitswelt im Vorstand vertreten sind. So fliesst die Sicht der Praxis besser ins operative Geschäft ein. Zudem hat BIKAS neu einen direkten Draht in die nationalen Gremien der Berufsbildung.

BIKAS will von der IGKG Schweiz die Trägerschaft der zweijährigen Grundbildung (EBA) übernehmen. Wo stehen diese Pläne?
Wir haben in einem ersten Schritt gemeinsame Arbeitsgruppen für Berufsentwicklung und Qualitätssicherung geschaffen. Die Übernahme der Trägerschaft ist Teil der Mehrjahresplanung von BIKAS.

Mit der Strategie 2030 wurde die Zukunft von BIKAS vorgespurt. Wie viel Spielraum bleibt Ihnen für eigene Akzente?
Ich bin dankbar für alles, was gut aufgegleist ist. Meine vordringliche Aufgabe sehe ich darin, die Strategie gemeinsam mit dem Vorstand umzusetzen. Dabei bleibt genügend Spielraum für eigene Schwerpunkte.

Wo sehen Sie die Herausforderungen und Chancen im kaufmännischen Berufsfeld?
Die Arbeitswelt entwickelt sich rasant. Aus diesem Grund müssen wir agiler werden und die Ausbildung in kürzeren Abständen an neue Realitäten anpassen. Ich plädiere daher dafür, anstelle grosser Reformen kleinere Schritte in höherer Kadenz zu gehen. Eine Chance sehe ich in der Vielfalt der Branchen; sie ist im Wettbewerb mit anderen Berufsfeldern ein grosses Plus. Allerdings sollten wir immer das gemeinsame Ganze im Blickfeld behalten und so mit Weitblick stetig den Fokus schärfen.

Was bedeutet künstliche Intelligenz (KI) für die kaufmännischen Berufe – das oft prognostizierte Aus?
Nein. Ich sehe auch hier Chancen, insbesondere in den Bereichen Automatisierung und Vernetzung. Aber die Tätigkeiten und Arbeitsformen werden sich verändern. Das bedeutet: Wir müssen KI in unsere Überlegungen und Handlungen aufnehmen.

Interview: Rolf Marti
Bild: Maurice Marti

 

Zur Person

Marco Niklaus (37) hat an der Universität Bern Englisch und Geografie studiert, an der PH Bern das Lehrdiplom für Maturitätsschulen mit integrierter berufspädagogischer Qualifikation und an der Privaten Hochschule für Wirtschaft Bern einen MAS/Executive MBA FH für Fach- und Führungskräfte abgeschlossen. Zurzeit bildet er sich am isb in Wiesloch (D) in systemischer Professionalität weiter.

Als Lehrperson war Marco Niklaus auf den Stufen Volksschule, Berufsfachschule, Berufsmaturitätsschule, Gymnasium und Höhere Fachschule tätig. An der WKS KV Bildung in Bern hatte er verschiedene Management- und Führungsfunktionen inne. Zuletzt wirkte er als Direktor/CEO bei der Berner Berufsfachschule für medizinische Assistenzberufe.

Seit dem 1. September 2023 ist Marco Niklaus Geschäftsleiter der Interessengemeinschaft Kaufmännische Grundbildung Schweiz (IGKG Schweiz) und ist in dieser Funktion auch Geschäftsleiter der Schweizerischen Konferenz der kaufmännischen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen (SKKAB).

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