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«Wir wollen zum Gelingen der Reform beitragen»

BCH Berufsbildung Schweiz – die Dachorganisation der Berufsfachschullehrpersonen – nimmt den Auftrag an, die neue kaufmännischen Grundbildung umzusetzen. Präsident Stefan Zehnder fordert, dass seine Kantonalsektionen und Fachverbände in die Umsetzung einbezogen werden.

Sie vertreten die Lehrpersonen der Berufsfachschulen. Wie steht Ihr Verband zur neuen kaufmännischen Grundbildung?
Wir anerkennen den Reformbedarf. Der BCH und seine angeschlossenen Verbände haben sich an der Vernehmlassung beteiligt. Wir warten nun ab, wie das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI diese im Bildungsplan berücksichtigt.

Begeisterung klingt anders.
Es ist nachvollziehbar, dass es nach fast zwanzig Jahren an der Zeit ist, den Beruf grundlegend zu erneuern. Darin sehen wir Chancen. Wir sehen aber auch Risiken.

Als Risiko empfinden Teile der Lehrerschaft die Handlungskompetenzorientierung. Ist das der falsche Ansatz für die kaufmännische Grundbildung?
Es ist nicht an uns zu beurteilen, ob die Handlungskompetenzorientierung richtig oder falsch ist. Aber: Die Vermittlung von Grundlagenwissen darf unter der Reform nicht leiden. Das ist für uns der entscheidende Punkt. Wir wollen den Level mindestens halten. Nur so kann der Anschluss an die höhere Berufsbildung und die Fachhochschulen sichergestellt werden.

Heisst das, Sie können die Kritik an der Handlungskompetenzorientierung nachvollziehen?
Die Handlungskompetenzorientierung führt zu einem grossen Veränderungsprozess. Das löst Befürchtungen aus. Welche Rolle haben die Lehrpersonen in Zukunft? Sind sie noch als Fachpersonen gefragt oder bleibt ihnen nur die Rolle des Coachs? Welche Auswirkungen hat der Umbau auf Pensen und Löhne? Die Lehrpersonen sind im Ungewissen über ihre berufliche Zukunft. Das hat auch damit zu tun, dass sie bisher spärlich in den Reformprozess einbezogen worden sind.

Das sieht die SKKAB anders. Es war ein partizipativer Entwicklungsprozess, Berufsfachschulen und Lehrpersonen waren daran beteiligt.
Mag sein. Aber die Lehrpersonen, die mitgewirkt haben, haben dies im Auftrag ihrer Berufsfachschule gemacht. Der BCH oder seine fachlichen oder kantonalen Vertretungen waren als Institution nicht am Tisch. Wir hätten uns gewünscht, dass man unsere Fachsektionen einbezieht. Es macht einen Unterschied, ob eine Lehrperson als Vertreterin bzw. Vertreter ihres Arbeitgebers oder ihrer Gewerkschaft auftritt.

Lehrpersonen haben auch am Fremdsprachenkonzept Kritik geäussert. Dieses wurde mittlerweile überarbeitet. Neu werden alle Lernenden in zwei Fremdsprachen praxisnahe Kompetenzen erwerben. Zufrieden?
Die Stossrichtung stimmt. Offen bleibt die Frage der Umsetzung. Was kommt letztlich bei den Lernenden an? Darauf werden wir ein Auge haben.

Was bedeutet die Reform für die Berufsfachschulen?
Die Handlungskompetenzorientierung wirkt sich auf allen Ebenen aus. Die didaktischen Konzepte müssen auf selbstorganisiertes Lernen ausgerichtet, die Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen muss interdisziplinärer und die Stundenplangestaltung angepasst werden. Selbst bauliche Anpassungen der Schulhäuser werden teilweise gefordert, da das selbstorganisierte Lernen räumlich mehr Platz beansprucht.

Wo stehen die Berufsfachschulen in diesem Prozess?
Ich nehme wahr, dass einige Schulen relativ weit sind, was die Umsetzungskonzepte betrifft, andere noch eher am Anfang stehen. Für die kaufmännischen Berufsfachschulen ist das eine gewaltige Übung, weil die gesamte Institution gleichzeitig umgebaut werden muss. Bei gewerblichen Berufsfachschulen ist das anders. Die Berufe werden einzeln umgestellt – so können laufend Erfahrungen mit der Handlungskompetenzorientierung gesammelt werden, der Betrieb kann Schritt für Schritt angepasst werden.

 Auch für die einzelnen Lehrpersonen stehen grosse Veränderungen an. Wie wollen Sie sie für die neue kaufmännische Grundbildung gewinnen?
Das ist Sache der Kantone, der Berufsfachschulen und der SKKAB. Wir sind nicht die Fahnenträger der Reform. Aber selbstverständlich wollen wir als Berufsverband zum Gelingen der Reform beitragen. Wir werden die Anliegen der Lehrpersonen in den Umsetzungsprozess einbringen und unsere Rolle als Bindeglied zwischen den Institutionen und den Lehrpersonen wahrnehmen.

Welche Erwartungen hat der BCH an die Kantone?
Wir erwarten Rahmenbedingungen, unter denen die Lehrpersonen motiviert die Umsetzung vorbereiten können. Die Kantone sollen die Umsetzungskonzepte zeitnah und unter Einbezug unserer Sektionen erarbeiten. Zudem erwarten wir klare Aussagen, wie sich die neue kaufmännische Grundbildung auf Pensen und Löhne auswirken wird. Die «kostenneutrale Umsetzung» darf nicht dazu führen, dass die Qualifikationsprofile der Lehrpersonen an Wert verlieren oder dass gut qualifizierte Lehrpersonen durch weniger qualifizierte Lernbegleiterinnen und -begleiter ersetzt werden.

Was erwarten Sie von der SKKAB als Trägerin des Berufs?
Unsere Fachverbände haben ihre Inputs im Rahmen der Anhörung durch das SBFI eingebracht. Das waren aufwendige Arbeiten, welche meist unentgeltlich geleistet wurden. Wir erwarten, dass die SKKAB Wort hält und unsere Anliegen im Rahmen der Umsetzung aufnimmt.

Das SBFI hat den Einführungstermin um ein Jahr auf Sommer 2023 verschoben. Steht damit genügend Zeit für eine solide Einführung der neuen kaufmännischen Grundbildung zur Verfügung?
Dieses zusätzliche Jahr hilft definitiv. Aber wir müssen die Konzepte jetzt schnell vorantreiben, damit den Lehrpersonen die erforderliche Zeit für die individuelle Unterrichtsvorbereitung bleibt. Es erwartet sie viel Arbeit. Entsprechend rasch müssen die Weiterbildungen beginnen.

Interview: Rolf Marti

 

BCH| FPS Berufsbildung Schweiz

BCH| FPS Berufsbildung Schweiz ist die Dachorganisation der Lehrerinnen und Lehrer an den berufsbildenden Schulen der Schweiz. Der Verband vertritt rund 2000 Lehrpersonen und vereint über 40 Kantonal- und Fachverbände. Stefan Zehnder ist seit 1. Mai 2021 ad interim Zentralpräsident des BCH. Die BCH-Zeitschrift Folio geht in ihrer jüngsten Ausgabe auf die Reformen im kaufmännischen Bereich und im Detailhandel ein. Sie kann unter www.bch-fps.ch/folio bestellt werden.

 

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