SKKAB

Schweizerische Konferenz der kaufmännischen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen

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«Es ist Zeit für eine umfassende Reform»

Die grossen Lehrbetriebe der Schweiz sehen die neue kaufmännische Grundbildung positiv. Das sagt Stefan Gamper, Head Young Talents der Migros und Präsident der Interessengemeinschaft Unternehmen mit nationaler Berufsbildung. Die Migros bildet allein im kaufmännischen Bereich rund 350 Lernende aus.

Herr Gamper: Wie steht die Migros-Gruppe zur neuen kaufmännischen Grundbildung?
Das KV ist nach wie vor der meistgewählte Lehrberuf der Schweiz. Er hat aber Konkurrenz erhalten durch neue Berufe wie Mediamatikerin oder Informatiker. Vor diesem Hintergrund ist es höchste Zeit für eine umfassende Reform, die den Beruf zukunftsfähig macht.

Teilen andere Grossbetriebe diese Einschätzung?
Ja. Die Stimmung der Mitglieder der IG gegenüber der Reform ist positiv.

Bringt die Reform die erwarteten Innovationen?
Ja. Die für uns zentralen Handlungskompetenzen erhalten mehr Gewicht. Beispielsweise das Einsetzen von Technologien in der digitalen Arbeitswelt oder das Interagieren in einem vernetzten Arbeitsumfeld. Als überaus positiv erachte ich, dass den Jugendlichen die erforderlichen Zukunftskompetenzen vermittelt werden: Teamarbeit, Kommunikation, Selbstreflexion sowie die Fähigkeit zur eigenständigen Kompetenzentwicklung. Das macht das KV zu einer qualitativ hochstehenden und nachhaltigen Ausbildung.

Die Reform wird von verschiedener Seite kritisiert. So wird etwa moniert, sie sei ein Lehrstellenkiller.
Das glaube ich nicht. Ob in einem Beruf mehr oder weniger Lehrstellen angeboten werden, hängt von strukturellen Entwicklungen, von der Bereitschaft auszubilden und von alternativen Lehrberufen ab, nicht von der Bildungsverordnung – ausser, diese ist veraltet und vermittelt nicht mehr die vom Arbeitsmarkt geforderten Kompetenzen.

Wurden die Inhalte der Reform zu wenig gut kommuniziert?
Wer wollte, konnte sich rechtzeitig informieren. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass die Betriebe stärker in den Reformprozess einbezogen worden und die Kommunikation direkter gewesen wäre. Das ändert nichts daran, dass wir hinter dem neuen Kompetenzprofil stehen.

 Intensiv debattiert wird über die Handlungskompetenzorientierung. Viele Lehrpersonen befürchten einen Abbau bei der Allgemeinbildung. Sollen angehende Kaufleute nur noch lernen, was den Betrieben nützt?
Nein. Jeder Lernort ist gefordert, den Jugendlichen mehr zu vermitteln, als im Bildungsplan steht. Entsprechend findet Allgemeinbildung auch in den Betrieben statt. Die Jugendlichen lernen beispielsweise unterschiedliche Lebensstile und Lebensentwürfe kennen und setzen sich so mit Diversität und Inklusion auseinander. Oder sie machen betriebliche Recherchen im Internet und lernen dabei, Informationen zu prüfen und zu gewichten. Das kommt ihnen auch als Staatsbürgerin bzw. Staatsbürger zugute. Die Berufsfachschulen haben in der Vermittlung der Allgemeinbildung sicherlich eine wichtige Aufgabe. Ich bin aber der Auffassung, dass die integrierte Allgemeinbildung genauso effektiv ist wie ein eigenständiges Fach Allgemeinbildung. Es ist wichtig, dass der Theorie-Praxistransfer durchgängig sichergestellt werden kann.

Ein Streitpunkt der Reform wurde geklärt: Die neue kaufmännische Grundbildung startet erst 2023 statt 2022. Damit bleibt mehr Zeit für die Einführung. Ein richtiger Entscheid?
Wir wurden davon überrascht und können ihn nur bedingt nachvollziehen. Der Reformprozess ist verbundpartnerschaftlich korrekt verlaufen, Kritik wurde im Rahmen der Vernehmlassung aufgenommen. Mit der Verschiebung der Einführung verlieren wir ein Jahr. Die Vorbereitungsarbeiten für 2022 wurden bereits initiiert. Jetzt müssen wir den Lancierungsprozess ein zweites Mal durchspielen. Mir ist jedoch bewusst: Das ist die Sicht der Grossbetriebe. Vielleicht stehen kleinere Lehrbetriebe vor anderen Herausforderungen, weil sie weniger Ressourcen für die Berufsbildung haben.

Die Lehrbetriebe haben sich nicht in die – medial teils hitzig geführten – Debatten um die KV-Reform eingemischt. Weshalb?
Die Aufgabe von Lehrbetrieben ist es primär, sich bei Berufsreformen über die OdAs einzubringen und das Berufsbild mitzugestalten. Dass Diskussionen über Inhalte geführt werden, ist legitim und verständlich. Der richtige Weg für uns wird es weiterhin sein, verbundpartnerschaftlich mit den beteiligten Instanzen zusammenzuarbeiten und nicht medial in die eine oder andere Richtung zu wirken.

Was bedeutet die Reform für die betriebliche Bildung? Müssen Lehrbetriebe ihr Ausbildungsprogramm neu erfinden?
Nein. Es gibt Justierungen, beispielsweise bei den Stellenausschreibungen und beim Selektionsprozess. Zudem müssen wir die Rotation der Lernenden anpassen. Das heisst, wir müssen die Lernenden jenen Abteilungen zuteilen, welche die neuen Kompetenzen im Bildungsplan am besten vermitteln. Solche Anpassungen sind jedoch auch aufgrund der sich laufend ändernden innerbetrieblichen Realität immer wieder nötig.

Was erwarten Sie von der SKKAB als Trägerin der kaufmännischen Grundbildung in der Umsetzungsphase?
Sie muss die branchenübergreifende Information sicherstellen – also alle Lernorte rechtzeitig und umfassend informieren und in die Informationsvermittlung einbinden. Die Ausbildungs- und Prüfungsbranchen ihrerseits müssen die Lehrbetriebe befähigen, die branchenspezifischen Ausbildungs- und Beurteilungsinstrumente korrekt anzuwenden. Weiter erwarte ich von der SKKAB, dass sie die Umsetzung eng begleitet und den Erfolg misst. Es wäre daher gut, wenn in der Kommission für Berufsentwicklung und Qualität auch Exponentinnen und Exponenten der Reform sowie die Lehrbetriebe vertreten wären.

Interview: Rolf Marti

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