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«Die KV-Reform ist nötig und dringlich»

Tribüne: «Die Vorwürfe an die neue KV-Lehre sind überrissen. Diese vermittelt das, was in der heutigen Arbeitswelt gebraucht wird.» Das sagen Ursula Marti, Präsidentin des Kaufmännischen Verbandes Bern, und Giovanna Battagliero, Präsidentin Wirtschafts- und Kaderschule KV Bern in einem Gastbeitrag. Der Text erschien zuerst in der Tageszeitung «Der Bund» vom 8. Juni 2021.

«Die Reform der kaufmännischen Grundausbildung stösst auf Kritik. Unzufrieden sind etwa die Bankiervereinigung, der Zürcher Bankenverband, der Arbeitgeberverband Basel und der Zürcher Verband der Lehrkräfte in der Berufsbildung (siehe «Bund» vom 18. Mai und 3. Juni). Dass Kritikpunkte eingebracht werden, ist wichtig und richtig. Dies sollte aber basierend auf Fakten und mit umfassendem Blick geschehen.

Der Vorwurf, die Reform ziele an den realen Bedürfnissen vorbei, trifft nicht zu. Die Reform basiert auf einer breit abgestützten Bedarfsabklärung bei den Lehrbetrieben und kaufmännischen Branchen. Dies ist vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation auch so vorgegeben. Bei dieser Abklärung wurde zum Beispiel klar, dass gewisse Betriebe weit weniger Finanz- und Rechnungswesen (FRW) wünschen als bis anhin. Andere hingegen wollen diesen Anteil unbedingt erhöhen, weitere wiederum den Dialog mit Kundinnen und Kunden verstärkt berücksichtigt haben.

Aus diesem Grund werden in Zukunft im dritten Lehrjahr thematische Optionen angeboten: Das FRW wird für alle von 133 Lektionen auf 100 Lektionen reduziert. Im Gegenzug wird die Option FRW mit 120 zusätzlichen Lektionen geschaffen. Somit können sich die Lernenden, wenn sie sich für diese Option entscheiden, mit insgesamt 220 Lektionen vertiefter als bis anhin mit diesem Thema beschäftigen. Genauso stehen den Lernenden weitere Fremdsprachen, Kommunikation oder Technologie als Vertiefungsoptionen zur Verfügung.

Das zuständige Staatssekretariat gibt vor, dass alle Berufe auf die im Job benötigten Handlungskompetenzen ausgerichtet werden. Aus diesem Grund gibt es, wie in allen anderen Berufen auch, keine klassischen Unterrichtsfächer mehr. Die klassische Fachkompetenz, etwa in der Sprache Deutsch, wird aber selbstredend immer noch unterrichtet und gestärkt. Das so erarbeitete Grundlagenwissen wird nun aber noch systematischer mit einer Kompetenz im Beruf vernetzt. Es wird also zum Beispiel sichergestellt, dass die KV-Lernenden eine Kundenanfrage sprachlich korrekt und versiert beantworten können, und noch mehr darauf geachtet, dass die Antwort auch inhaltlich den Erwartungen der Kundschaft entspricht. In anderen Worten: Das fachliche Grundlagenwissen bleibt – und wird noch konsequenter angewendet.

In der heutigen Arbeitswelt müssen laufend Entscheidungen getroffen werden: Wie gehe ich vor, um eine Aufgabe zielgerichtet zu erfüllen? Welche Technologien, welche Methoden wende ich an? Wie vernetze ich mich mit anderen Personen? Wie kommuniziere ich lösungsorientiert? Hier Handlungssicherheit zu gewinnen, macht einen Unterschied. Um sich erfolgreich in seinem Beruf behaupten zu können, ist die Kombination von Grundlagen- und Handlungswissen gefragt. Die KV-Lehre ist und bleibt das Paradebeispiel für eine Grundausbildung, auf der sich vielseitige Karrieremöglichkeiten aufbauen lassen. Die bewährte integrierte Berufsmaturität und der Anschluss an die Berufsmaturität 2, die nach Abschluss der Lehre erlangt werden kann, werden weiterhin sichergestellt. Die optionalen Fächer sind eine hervorragende Basis für weitergehende Spezialisierungen. Gerade ICT-Kompetenzen werden künftig noch stärker ausgebildet, womit sich den jungen Berufsleuten zusätzliche Möglichkeiten für eine Weiterbildung in diesem Bereich bieten. Sowohl die Berufsfachschulen in Bern als auch der Kaufmännische Verband stehen hinter der Reform. Mit der neuen Ausbildung werden die jungen Menschen im Lehrbetrieb und an der Schule optimal und gezielt begleitet und in ihren Stärken gefördert. Sie sollen nach der dreijährigen Grundbildung eine hohe Selbstständigkeit haben, sich in der neuen Arbeitswelt zurechtfinden und mit Fachkompetenz und Anwendungskönnen überzeugen. Die «neue» KV-Lehre ist auch auf KMU ausgerichtet. Sie entspricht den Bedürfnissen der Lehrbetriebe noch besser und wird so auch für KMU wieder attraktiver, auch weil die Umsetzung im Betrieb vereinfacht wird.

Wir sind überzeugt, dass das erneuerte Berufsbild und darauf abgestützt die Bildungsreform nicht nur sinnvoll, sondern auch nötig und dringlich sind. Die neue Ausbildung öffnet noch mehr Türen. Sie vermittelt viel gezielter als bisher jene Kompetenzen, die in der sich rasant wandelnden Arbeitswelt heute und morgen benötigt werden. Sie ist und bleibt die optimale, breit gefächerte Ausbildung für junge Menschen, die in den Betrieben die Vernetzung sicherstellen wollen. Der kaufmännische Beruf bewegt sich und bleibt so zukunftsfähig, genau wie sich auch alle anderen Berufe laufend wandeln und der Zeit anpassen. Das ist gut so.»

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